Wechselmodell (Paritätische Doppelresidenz) boomt

Aufsatz von Hildegund Sünderhauf und Georg Rixe: „Alles wird gut! Wird alles gut?“, Rechtssystematische Verortung und verfassungsrechtliche Bezüge der gerichtlichen Anordnung des paritätischen Wechselmodells

Professorin Hildegund Sünderhauf und Rechtsanwalt Georg Rixe haben den vorstehenden Beitrag in FamRB 2014, 418 – 425 (Teil I) und FamRB 2014, 469 – 474 (Teil II) veröffentlicht.

Das Wechselmodell (paritätische Doppelresidenz) boomt und ist zzt. eines der aktuellsten Themen in Theorie und Praxis des deutschen Familienrechts. Umso erstaunlicher ist es, dass der Frage, ob das Wechselmodell die elterliche Sorge oder das Umgangsrecht berührt, bisher wenig Bedeutung beigemessen worden ist. Der vorliegende Beitrag behandelt die Frage der rechtssystematischen Verortung dieses Betreuungsmodells, das im BGB nicht explizit vorgesehen ist, und seine gerichtlichen Anordnungsmöglichkeiten nach derzeitiger Rechtslage (Teil 1). Es werden weiterhin die verfassungsrechtlichen Bezüge aufgezeigt und ein Vorschlag für eine gesetzliche Neuregelung gemacht (Teil 2). Ein Ausblick auf die Entwicklungsperspektiven nach einer erwarteten Grundsatzentscheidung des BGH zeigt, dass auf jeden Fall Bewegung in der Diskussion um das Wechselmodell ist.

Rechtsanwalt Georg Rixe ist insbesondere der Auffassung, dass die derzeitige Gesetzeslage in der Auslegung der überwiegenden Rechtsprechung, die eine gerichtliche Anordnung oder Aufrechterhaltung des Wechselmodells nach Maßgabe des Kindeswohls, also auch gegen den Willen eines Elternteils, nicht ermöglicht, verfassungswidrig und menschenrechtswidrig ist und deshalb zu ändern ist (vgl. bereits den Beitrag von Rechtsanwalt Georg Rixe: Wechselmodell und Verfassung, in: Interessenverband Unterhalt und Familienrecht, Vom starren Residenzmodell zum individuellen Wechselmodell, Schriftenreihe des ISUV, Band 7, 2013).

In aktuellen Entscheidungen des Amtsgerichts Erfurt vom 01.10.2014 – 36 F 1663/13 – und des Amtsgerichts Heidelberg vom 19.08.2014 – 31 F 15/14 –, FamRZ 2015, 151 wird ein Wechselmodell gegen den Willen des mütterlichen Elternteils als Umgangsregelung angeordnet bzw. aufrechterhalten.

Das Amtsgericht Erfurt führt zutreffend unter anderem Folgendes aus:

„Wenn als Ausgangspunkt heute anerkannt ist, dass es für die Betreuung des Kindes bzw. der Kinder kein feststehendes Modell gibt, und weiter anerkannt wird, dass die gelebte Beziehung des Kindes in seiner Liebe zu beiden Eltern grundsätzlich kindeswohlförderlich ist, kann sich das Recht an dieser Stelle nicht verweigern. Es muss also für das Familiengericht möglich sein, nicht nur ein paritätisches Betreuungsmodell in seiner Fortführung anzuordnen, als auch erstmals ein solches Wechselmodell anzuordnen.“ … „Eine Rechtsprechung, die die Anordnung eines Wechselmodells wegen der fehlenden Zustimmung der Mutter kategorisch ablehnt, verletzt das Elternrecht des Vaters nach Art. 6 des Grundgesetzes und Art. 8 und 14 der Europäischen Menschenrechtskonventionen.“

Das Amtsgericht Heidelberg hat ein Wechselmodell im wöchentlichen Wechsel angeordnet und führt zu Recht unter anderem Folgendes aus:

„Die Voraussetzung des Wechselmodells sind zwei Eltern, die in der Lage sind, sich jeweils gut um die Kinder zu kümmern. Und Eltern, die ihre Kinder lieben. […] Es ist im Jahre 2014, in Ansehung der umfassenden, auf Gleichstellung und Selbstverwirklichung abzielenden politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, einem Vater, der die gleiche Teilhabe am Leben seiner Kinder erreichen möchte, kaum mehr zu vermitteln, weshalb dies von der Zustimmung der Mutter abhängen soll, wenn die Voraussetzungen hierfür gegeben sind und der Wunsch dem Kindeswohl am besten entspricht.“

Weitere Informationen zum Wechselmodell finden sich in unserem Archiv im Eintrag vom 15.10.2013.

Inhaltsverzeichnis des Familien-Rechtsberaters Heft 11/2014

Inhaltsverzeichnis des Familien-Rechtsberaters Heft 12/2014 

 

Wir wünschen Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und alles Gute für das neue Jahr!